Das Konzept Nachhaltiger Tourismus

Der bekannte Werbespruch „Geiz ist geil“ ist unter vielen Bürgern der Republik längst zum Lebensmotto geworden. Immer billiger und immer mehr sind die Leitlinien der Konsumgesellschaft. Dabei wird häufig die Qualität der erworbenen Produkte oder Dienstleistungen missachtet und die größeren Konsequenzen für Mensch und Umwelt ignoriert. Doch hat sich in den letzten Jahren auch verstärkt eine Gegenbewegung entwickelt. Dieser ist es wichtig, Dinge bewusst zu genießen und den Schwerpunkt auf Qualität zu setzen. Für soziale- und ökologische sowie ökonomische Gerechtigkeit sind viele Menschen bereit auch etwas tiefer in die Taschen zu greifen. Dies gilt nicht nur für Bio-Nahrungsmittel und fair gehandelten Kaffee, sondern ist auch im Tourismus bemerkbar.
Nachhaltiger Tourismus heißt das Schlagwort. Er bezeichnet eine Form des Reisens, bei welcher insbesondere auf die drei Faktoren – ökologische-, soziale- und ökonomische Nachhaltigkeit – Wert gelegt wird. Nachhaltigkeit bedeutet dabei die genannten Ressourcen langfristig zu schützen. Weitere, als Synonyme verwendete Bezeichnungen für den nachhaltigen Tourismus sind „sanfter Tourismus“, „integrativer Tourismus“ „grüner Tourismus“ oder „Ökotourismus“. Da dieses Konzept relativ neu ist, kann der nachhaltige Tourismus viele Formen annehmen. Beispiele sind Fahrrad- und Wanderreisen, bei welchen komplett auf fahrzeugbedingten CO2 Ausstoß verzichtet wird, Unterkunft in Gebäuden mit geringem Energieverbrauch oder Bildungs- und Kulturreisen, die den Einheimischen zugutekommen.
Die Entstehung des nachhaltigen Tourismus
Der nachhaltige Tourismus hat sich sozusagen als Gegenbewegung zum Massentourismus gebildet. Letzteres ist günstig und einfach, zerstört aber vielerlei Ressourcen wie Natur und Kultur. Um das Zunehmen von Betonwüsten, Müllhaufen und kulturell entwurzelten Menschen zu stoppen, oder zumindest einzudämmen, wurden alternative Methoden und Arten des Reisens erdacht. Eine Faustformel ist, jeden Ort zumindest so zu verlassen, wie man ihn vorgefunden hat. Die wichtigsten Ziele sind es, Ausbeute und Zerstörung durch Massentourismus und Achtlosigkeit zu verhindern.
Die Formen des nachhaltigen Tourismus: ökologisch, ökonomisch und sozial
Primär sollen drei Dinge geschützt werden:
- die in der Urlaubsregion ansässigen Menschen
- die Natur mit ihrer Flora und Fauna
- und schließlich auch die Wirtschaft der Zielregion
Sozial
Der soziale Aspekt besteht dann beispielsweise darin, dass die ursprünglichen Bewohner nicht aufgrund des Tourismus vertrieben werden. In manchen unbedachten Fällen mussten schon Wohnhäuser Hotelanlagen weichen. Aufgrund des Anstiegs der Grundstückspreise fanden die Bewohner kein adäquates Zuhause mehr. In einigen Gebieten von Asien werden besonders exotisch wirkende Menschen gegen ein kleines Taschengeld für neugierige Touristen wie in einem Zoo herbeigefahren. Die Urlauber können so zum Beispiel die „Langhalsfrauen“ mit den vielen Ringen am Hals bestaunen. Diese ausbeutende und menschlich erniedrigende Praxis hat keinen Platz im nachhaltigen Tourismus. Vielmehr fördert dieser das Fortführen bestehender Bräuche und ermöglicht Urlaubern, beispielsweise in einem ursprünglich erhaltenen Dorf, in einer Familie gemeinsam mit den Bewohnern auf ihre Art zu leben.
Ökologisch
Die tiefste Verankerung des nachhaltigen Tourismus besteht wohl im ökologischen Bereich. Beispiele hierfür liegen zunächst in der Wahl der Fortbewegungsmittel. Skiwandern statt Lift fahren, Fahrrad statt Motorrad fahren und das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel an Stelle des Individualtransports. Weiterhin findet man nachhaltigen Tourismus in der Erschaffung ausgezeichneter und durchdachter Wanderwege, die das Zerstören unberührter Natur verhindern und den Menschenstrom in gewollte Bahnen leiten. Ein Beispiel hierfür sind die Galapagosinseln, auf denen sich längst nicht mehr frei bewegt werden darf.
Insbesondere an den Stränden und in den Meeren ist der Unterschied zwischen unbedachtem Massentourismus und nachhaltigem Tourismus bemerkbar. In diesem Bereich stehen sich zwei Welten gegenüber: mit Betonklötzen zugebaute und vermüllte Strandabschnitte, sowie offene und saubere Strände mit kleinen Hütten und einer gut funktionierenden Müllverwertung. Unterhalb der Wasseroberfläche macht sich nachhaltiger Tourismus in intakten Riffen, Fischreichreichtum und einem sauberen Meeresgrund bemerkbar.
Ökonomisch
Die regionale Wirtschaft kann gefördert werden, indem Urlauber lokal angebaute Produkte kaufen und touristische Dienstleistungen von Einheimischen beanspruchen. So können Wandertouren beispielsweise mit einem Führer aus dem Ort anstatt mit einem großen und ortsunabhängigen Tourenanbieter unternommen werden. Desweiteren können Reisende in Privatpensionen unterkommen und so gleichfalls auch ein Zeichen gegen die Bausünden internationaler Hotelketten setzen.
Beispiel: Benidorm versus Costa Smeralda
Dass es, zumindest beim Aspekt „Bausünden“, durchaus unterschiedliche Praktiken der örtlichen Behörden gibt, lässt sich wohl kaum besser verdeutlichen als am Beispiel Benidorm vs. Costa Smeralda.
Das bei den Deutschen beliebte Urlaubsland Spanien bietet ein Beispiel des klassischen Tourismus ohne jeglichen Anspruch auf Nachhaltigkeit. Das Urlaubsziel Benidorm an der Costa Blanca ist günstig aber ästhetisch keineswegs ansprechend. Die Stadt ist bei europäischen Reisenden beliebt, weil es viele Auswanderer und eine mittel- bzw. nordeuropäische Infrastruktur gibt. Man spricht englisch und deutsch und bekommt alles, was es in der Heimat gibt. Die spanische Kultur geht beinahe vollständig unter. Graue Hochhäuser säumen den Küstenstreifen. Von der ursprünglichen Küstenlandschaft ist schon lange nichts mehr übrig.
Die Costa Smeralda auf Sardinien hingegen ist zwar ebenfalls kein Musterbeispiel an Nachhaltigkeit. Hier wurde aber schon seit den 60er Jahren streng darauf geachtet, die Ästhetik der Küstenlandschaft zu wahren. Kein Hotel ist hier so groß, dass es das Landschaftsbild maßgeblich beeinträchtigt. Allerdings ist diese Praxis nur durch sehr hohe Preise möglich geworden. Die wirtschaftlich arme sardische Bevölkerung wurde deshalb größtenteils verdrängt oder arbeitet inzwischen für den Luxustourismus.
Und einen weiteren Aspekt sollte man an dieser Stelle nicht vergessen: Bettenburgen sind und bleiben zwar Bausünden – sie haben aber pro Urlauber eine ganz gute Bilanz. Denn ein Luxusurlauber in einer Ferienvilla oder einem großzügigen Hotelbungalow muss sich einigen Kritikpunkten stellen:
- Es wird mehr Wohnfläche beansprucht (Bodenversiegelung, Heizung, Klimaanlage)
- Durch Rasenflächen und private Pools wird mehr Wasser verbraucht
- Meist wird ein eigener PKW benutzt
Zukunftsprognosen und Verankerung des nachhaltigen Tourismus
In den Köpfen der deutschen Bevölkerung sind die positiven Aspekte des nachhaltigen Tourismus bereits weitgehend verankert. Auch der Deutsche Tourismusverband (DTV) und die Bundesregierung setzen sich für den nachhaltigen Tourismus ein. So existiert beispielsweise ein „Bundeswettbewerb nachhaltige Tourismusregionen“, welcher diesen Ansatz in deutschen Urlaubsregionen fordert und fördert. Getragen wird dieses Projekt in einer Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie dem Bundesamt für Naturschutz und besagtem Deutschen Tourismusverband. Der Trend des Reisens geht stetig in Richtung Langzeitschutz und weg von Kurzzeitausbeute. Viele Urlauber wollen auch etwas Gutes für die Region bewirken, in der sie sich aufhalten. Doch muss man sich dies natürlich auch leisten können. Ökotourismus ist häufig teurer und weniger komfortabel als vergleichbare Pauschalangebote. Langfristig werden wir aber gar keine andere Wahl haben, wenn wir die schönen Ecken der Erde auch für unsere Kinder bewahren möchten.